Im Interview: Globale Einflüsse auf die Lieferketten für Produzenten von technischen Textilien

Fabian Kampsen und Robert Lerch vertreten die Geschäftsführung der Heytex Gruppe. Fabian ist ein „home grown“ Heytex Manager und seit 2020 in der Position des Commercial Director tätig. Robert ist seit 2017 als Procurement Director Teil der Heytex Familie.  Beide berichten seit März 2021 regelmäßig über die aktuelle Marksituation Technischer Textilien.

Bramsche, im November 2023 / Interview No. 4

Fabian: Robert, seit unserem letzten Interview ist fast ein Jahr vergangen, also lass uns gleich einsteigen. Entspannungen in den Lieferketten und
im Energiesektor sind in den Medien immer mehr präsent. Wann können wir die Kostenvorteile an unsere Kunden weitergeben?

Robert: Tatsächlich konnten wir in den letzten Monaten Entspannungen bei wichtigen Rohstoffen, wie auch Fracht- und Energiekosten verzeichnen. Dies hat unter anderem mit einem Rückgang der allgemeinen Nachfrage zu tun, aber auch mit ergriffenen Maßnahmen der Regierungen, um Preissteigerungen zu kontrollieren. Andererseits können wir beobachten, dass z.b. der Rohölmarkt äußerst sensibel auf die gegenwärtigen globalen Ereignisse reagiert. Das treibt die Preise, die dann direkt von unseren Lieferanten weitergegeben werden. Eine umfassende Entspannung kann ich derzeit nicht absehen.

Fabian: Das betrifft dann auch Naphtha, das aus Rohöl gewonnen wird und als Basis für viele unserer Produktionsmaterialien dient? Schließlich war Naphtha einer der wesentlichen Gründe für Preissteigerungen in der Vergangenheit Wie ist hier der Ausblick?

Robert: In den letzten drei Jahren haben wir eine erhebliche, kontinuierliche Preiserhöhung von Naphtha um 100% gesehen, seit Juli diesen Jahres um weitere 35%. Unsere Vorlieferanten verwenden dies leider als Argumentation für grundlegende weitere Preiserhöhungen.

Fabian: Flammschutzmittel ist ein wichtiger Rohstoff für viele unserer Produkte. Naphtha spielt hier zwar keine Rolle, dafür aber Antimontrioxid. Wie ist die Entwicklung hier?

Robert: Derzeit beobachten wir, dass der Markt für Antimontrioxid wieder ansteigt. China, als Haupterzeugerland, zieht seit etwa einem halben Jahr vermehrt Mengen für den lokalen Markt ab, die in den letzten Jahren für den Export genutzt wurden.

Fabian: Was sich unweigerlich auf den Preis auswirkt. Wie sehen unsere weiteren Planungen aus?

Robert: Nun, uns erwarten eine Erhöhung der LKW-Maut in Deutschland ab November, die Steigerung der Kanalpassagen (Suez) um 15% ab Januar 2024, Straßentransport-Ratenerhöhungen um mehr als 10% und eine Containerfracht aus Asien, die seit September 2023 um mehr als 10% gestiegen ist. Eine unschöne Entwicklung, die eine sorgfältige Neubewertung unserer Logistikstrategien erfordert, obwohl wir den Peak bei den Containertransporten
zurückführen konnten.

Fabian: Und zum Thema Energie & Gas? Hier sollten wir doch eine deutliche Entspannung erwarten?

Robert: Die Normalisierung der Strom- und Gaspreise ist sicherlich eine positive Entwicklung, jedoch liegen sie immer noch etwa 25% höher im Vergleich zu 2021. Diese anhaltende Preissteigerung wirkt sich auf unsere Betriebskosten aus. Aus diesem Grund planen wir beispielsweise 2024 Investitionen wie die Verdopplung unserer Photovoltaik-Anlage in Bramsche und den Bau einer Anlage in Neugersdorf und Zhangjiagang, um Energieeffizienz zu steigern.

Fabian: Das klingt nach zwei sinnvollen Maßnahmen. Neben des allgemeinen Bezugs von grüner Energie für unsere deutschen Standorte seit mehreren Jahren, zahlen die Erweiterungen unserer PV-Anlagen auch nachhaltig in unsere ESG-Strategie ein. Welche weiteren Entwicklungen beeinflussen unsere
Branche?

Robert:Aufgrund der geringeren Nachfrage setzen Chemieproduzenten Produktionskapazitäten aus, um Produktionsmengen zu verknappen. Die Antidumping-Einfuhrzölle für chinesische Polyestergarne von bis zu 25% belasten uns direkt oder indirekt, da wir entweder die zusätzlichen Zölle oder höhere Einstandspreise für Garn aus anderen Ländern bezahlen müssen. Außerdem sehen wir eine generelle Verknappung der Importmengen
aus China nach Europa, da mehr nach Russland verkauft wird. Und nicht zuletzt spiegelt sich die Inflationsrate von 4,6% in 2023 und 2,5-3,0% im Ausblick 2024 in den steigenden Lohnkosten direkt in unseren Kalkulationen wieder.
Wir müssen diese Herausforderungen bewältigen, indem wir unsere Beschaffungsstrategien anpassen und weiter nach Wegen suchen, um unsere Kosten zu
optimieren. Hierzu gehört auch eine sorgfältige Risikostrategie um Abhängigkeiten zu Ländern zu verringern, die wichtige Lieferanten für beispielsweise Baumwolle oder Polyester sind.

Fabian: Herzlichen Dank für deine wertvollen Einblicke zu diesen Schlüsselthemen. Nach Monaten, in denen die Rohstoffpreise stagnierten oder teilweise rückläufig waren, sehen wir uns nun erneut mit Kostensteigerungen konfrontiert. Dies, in Kombination mit einer allgemein schwachen Marktnachfrage,
bringt uns in eine herausfordernde Position, in der wir Handlungsoptionen sorgfältig abwägen müssen.